Glorreiche Zeiten Roman by Kate Atkinson

Glorreiche Zeiten  Roman by Kate Atkinson

Autor:Kate Atkinson [Atkinson, Kate]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783426429891
Herausgeber: Knaur e-books
veröffentlicht: 2015-10-25T16:00:00+00:00


Auf dem Flug nach Turin gab es kaum Flakbeschuss, die italienischen Flugabwehrkanonen schienen immer nur halbherzig zu feuern. Sie bombardierten das Ziel aus sechzehntausend Fuß Höhe. Kurz vor dem Ziel hatte sich das Wetter verschlechtert. Die Alpen waren nicht mehr schön – ja, sie waren überhaupt nicht mehr zu sehen –, und als sie umkehrten, sahen sie sich einem riesigen dunklen Turm Kumuluswolken gegenüber, der sie weit überragte. In diesem Monster blitzte es, und es sprühten Funken, als würden kleine Explosionen stattfinden, und zuerst glaubten sie, dass es etwas mit den Bombardierungen zu tun hatte – oder auch mit einer neuen Waffe, die an ihnen getestet wurde –, und sie brauchten ein paar Sekunden, bis sie begriffen, dass sie direkt in eine enorme schwarze Gewitterwolke flogen.

Die Turbulenzen waren ungeheuerlich, warfen die J-Jig hin und her, als wäre es ein Spielzeugflieger. Was Fliegen sind den müßigen Knaben. Oder den müßigen Göttern. Zeus, der seine Donnerkeile warf, Thor, der seinen Hammer schwang. Die Feen, die ihre Möbel verrückten, wie Bridget immer sagte, eine weniger rachsüchtige Interpretation in einer ruhigeren Zeit. Und was für Feen, dachte Teddy. Über die Sprechanlage hörte er die Flüche, von Normans entsetzter christlicher Zurückhaltung – »Oh, du lieber Gott« – bis zu Keiths bitterem »Scheiße, Scheiße, Scheiße, hol uns verdammt noch mal hier raus, Käpt’n«.

Danach waren sie sich alle einig, dass es schlimmer gewesen war als jeder Flakbeschuss. Flak verstanden sie, doch das war etwas Urzeitliches. Gelegentlich erhellten Blitze bösartige Spalten und Höhlen in der dunklen Masse. Die Turbulenzen waren unberechenbar – sie warfen und stießen sie aufwärts und abwärts oder zur Seite –, und Teddy fragte sich, ob das Flugzeug aufgrund der Belastung nicht einfach zerbrechen würde.

Die Außentemperatur sank dramatisch, und auf den Tragflächen bildete sich Eis. Eis war ein gefährlicher Gegner, es tauchte schnell und manchmal ohne Vorwarnung auf – tonnenweise, fror die Motoren und die Steuerung ein und bedeckte die Tragflächen in dicken weißen Schichten. Das Flugzeug konnte dadurch so schwer werden, dass es einfach vom Himmel stürzte oder in der Luft in Stücke brach.

Über die Sprechanlage war unfreiwilliges »Oh, Gott« und »Herr im Himmel« und »Scheiße« zu hören, während sie hin und her geworfen wurden, und dann leise Psalm 23, »Und ob ich schon wanderte im finstern Tal«, der durch mehrmaliges erstauntes Keuchen unterbrochen wurde, als die J-Jig abrupt aus der Gewitterwolke katapultiert wurde, nur um von einer Geistererscheinung heimgesucht zu werden.

Überall zuckte Elmsfeuer, hellblau und überirdisch – ein unheimliches Leuchten, das an den Kanten der Tragflächen entlangflackerte und sogar um die Propeller wirbelte und absprang, seltsame fedrige Spuren in der Dunkelheit wie gespenstische Feuerräder. Es »tanzte« zwischen den Spitzen seiner MGs, berichtete Kenny vom Heck. »Hier oben auch«, kam aus dem Rückenturm.

Das seltsame Phänomen erinnerte Teddy an die Willis aus Giselle. Er hatte eine Aufführung des Balletts mit seiner Schulklasse gesehen, ein Ausflug ins Royal Opera House, den der Musiklehrer organisiert hatte. Die Tänzerinnen waren von dem gleichen unheimlichen und überirdischen blauen Licht angestrahlt worden, das jetzt um die J-Jig tanzte. Im Rückblick war es eine seltsame Wahl für eine Klasse lärmender dreizehnjähriger Internatsschüler gewesen.



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